Das Elektrokardiogramm ist seit Jahrzehnten ein unverzichtbares Instrument in Praxis und Klinik. Bisher diente es primär der elektrischen Diagnostik – Rhythmus, Leitungszeiten, Ischämiezeichen. CardioVolumeMetrics denkt das EKG neu: Mit einem modellbasierten Ansatz werden die Phasenlängen des EKGs genutzt, um präzise hämodynamische Parameter wie Schlagvolumen, enddiastolisches und endsystolisches Volumen sowie das Herzzeitvolumen über den gesamten Herzzyklus zu bestimmen – ohne zusätzliche Sensorik oder neue Hardware. Das ist besonders relevant für Kardiolog:innen und Hausärzt:innen, die auf vorhandene Infrastruktur angewiesen sind, und für Hochrisikopatient:innen, bei denen jede zusätzliche Belastung vermieden werden soll.
Der Kernnutzen liegt in der Echtzeitfähigkeit und Kosteneffizienz: Auf Basis bestehender EKG-Geräte können Trends und absolute Werte abgeleitet werden, die frühere, gezieltere und patientenschonende Interventionen ermöglichen – von der Risikostratifizierung bis zur Nachsorge nach Herzoperationen und dem Monitoring von Pilot:innen sowie Leistungssportler:innen.
Das Prinzip: Von Phasenlängen zu Volumina
Die Methode von CardioVolumeMetrics verbindet elektrophysiologische Informationen mit einem validierten mathematischen Modell des kardialen Zyklus. Vereinfacht gesagt wird die zeitliche Struktur des EKGs (z. B. Intervalle und Übergänge zwischen Depolarisation und Repolarisation) genutzt, um die Abfolge mechanischer Phasen (isovolumetrische Kontraktion, Ejektionsphase, isovolumetrische Relaxation, Füllungsphase) zu rekonstruieren. Aus diesen Phasenlängen lassen sich die Volumenänderungen des Ventrikels über den gesamten Herzzyklus modellieren.
Wesentliche Elemente des Ansatzes:
- Nutzung von Standard-EKGs (Ruhe-, Belastungs-, Langzeit- oder Telemetrie-EKG) ohne zusätzliche Hardware.
- Ableitung hämodynamischer Parameter aus den zeitlichen Mustern der Herzaktivität, nicht nur aus Einzelereignissen.
- Beat-to-Beat-Analyse mit Möglichkeit zur Glättung und Trendbetrachtung.
- Qualitätsmetriken, die Artefakte und Arrhythmien berücksichtigen und die Interpretierbarkeit transparent machen.
Wichtig: Der Ansatz ergänzt, ersetzt aber nicht bildgebende Verfahren oder die klinische Untersuchung. In Kombination mit Echokardiografie oder MRT entsteht jedoch ein deutlich dichteres Monitoring mit höherer zeitlicher Auflösung und geringerer Belastung für Patient:innen.
Welche Parameter und Trends in Echtzeit verfügbar sind
CardioVolumeMetrics stellt essenzielle Größen in einer Form bereit, die sich unmittelbar in klinische Entscheidungen übersetzen lässt:
- Schlagvolumen (SV) und Herzzeitvolumen (CO): Beat-to-Beat und als geglättete Trends.
- Enddiastolisches und endsystolisches Volumen (EDV, ESV): Einschätzung der Volumenlage und Ventrikelfüllung.
- Dynamische Ejektionskennwerte: Surrogatgrößen für systolische Leistungsfähigkeit und Ejektionsdynamik.
- Phasenanteile des Herzzyklus: Verhältnis von Systole zu Diastole, Dauer der isovolumetrischen Phasen – sensitiv für Vor- und Nachlaständerungen.
- Variabilitäts- und Belastungsreaktionen: Veränderungen unter Orthostase, Belastung oder pharmakologischer Titration.
- Qualitäts- und Plausibilitätsindikatoren: Signalqualität, Artefaktlast, Arrhythmiehinweise zur sicheren Einordnung der Werte.
Diese Informationen sind in Echtzeit verfügbar und lassen sich mit klinischen Ereignissen, Medikation, Belastungsstufen oder Operationszeitpunkten korrelieren.
Integration in vier typische Workflows
Die Technologie fügt sich nahtlos in bestehende EKG-Prozesse ein. Vier exemplarische Anwendungsfälle zeigen den Mehrwert in der Praxis:
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Screening bei Risikopersonen in der Hausarztpraxis
- Durchführung: Standardisiertes Ruhe-EKG wie gewohnt. Die Software analysiert parallel die Phasenlängen und berechnet hämodynamische Parameter.
- Nutzung: Einmalige Baseline und regelmäßige Verlaufskontrollen, z. B. im Rahmen von DMPs oder Check-ups.
- Mehrwert: Frühe Hinweise auf hämodynamische Veränderungen, die im konventionellen EKG unsichtbar bleiben können. Auffällige Trends können eine zeitnahe Überweisung zur Kardiologie oder eine frühere Anpassung der Therapie begründen.
- Workflow-Einbindung: Keine zusätzliche Hardware, minimale Schulung des Praxispersonals, Befundbericht ergänzt den EKG-Ausdruck digital.
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Titration nach Herz-OP in Klinik und Reha
- Durchführung: Telemetrie- oder Ruhe-EKGs in den ersten Tagen/Wochen postoperativ. Beat-to-Beat-Verlauf zur Bewertung der hämodynamischen Stabilität.
- Nutzung: Feindosierung von Diuretika, Nachlast- und Vorlastmanagement, Beurteilung von Inotropikaeffekten oder Pacing-Parametern.
- Mehrwert: Trends in Schlagvolumen und Phasenanteilen erlauben eine differenzierte, patientenspezifische Titration mit weniger invasiver Messung.
- Workflow-Einbindung: Interdisziplinäre Visite mit Zugriff auf die Trendkurven; definierte Schwellenwerte für Eskalation oder zusätzliche Bildgebung.
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Monitoring von Pilot:innen
- Durchführung: Regelmäßige Ruhe-EKGs zu festgelegten Terminen, optional ambulantes Monitoring in definierten Zeitfenstern.
- Nutzung: Vergleich mit persönlicher Baseline, Detektion subtiler Verschiebungen in Volumen- und Phasenprofilen, die Belastbarkeit und Sicherheit beeinflussen können.
- Mehrwert: Objektive, nicht-invasive Ergänzung der arbeitsmedizinischen Beurteilung; potenziell frühere Identifikation relevanter Veränderungen.
- Workflow-Einbindung: Datenschutzkonforme, standardisierte Reports für Betriebsärzt:innen; klare Eskalationspfade zur Kardiologie.
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Leistungssteuerung bei Sportler:innen
- Durchführung: Ruhe- und stufenweise Belastungs-EKGs im Rahmen der sportmedizinischen Untersuchung.
- Nutzung: Bewertung der kardialen Effizienz unter Belastung, Wiederherstellung nach Training, Hinweise auf Überlastung oder inadäquate Volumen-/Vorlastzustände.
- Mehrwert: Feinanpassung von Trainingsplänen, Reduktion unnötiger Belastungstests und Schonung der Athlet:innen.
- Workflow-Einbindung: Integration in bestehende Leistungsdiagnostik mit sofortiger Ergebnisrückmeldung.
In allen Szenarien gilt: Trends und Kontext sind entscheidend. CardioVolumeMetrics liefert strukturierte Auswertungen, die sich an die Bedürfnisse von Praxis, Klinik und arbeits- bzw. sportmedizinischen Settings anpassen.
Implementierung in Ihrer Einrichtung
Die Einführung lässt sich in wenigen Schritten realisieren, ohne die vorhandene Infrastruktur zu verändern:
- Datenquellen: Unterstützung für Standard-12-Kanal-Ruhe-EKGs, Telemetrie- und Holter-Daten. Export via gängiger Formate (z. B. XML, SCP, DICOM-ECG) oder direkte Integration über vorhandene EKG-Managementsysteme.
- Qualitätssicherung: Empfehlungen zu Abtastrate, Filtereinstellungen und Ableitungswahl; automatische Qualitätschecks mit Hinweisen bei Artefakten oder Rhythmusstörungen.
- IT-Integration: Schnittstellen zu KIS/PVS und PACS; wahlweise On-Premises oder DSGVO-konforme Cloudbereitstellung. Rollenkonzepte und Audit-Trails gewährleisten Nachvollziehbarkeit.
- Schulung: Kurze Einweisung für medizinisches Personal zur Durchführung, sowie vertiefende Trainings für Interpret:innen der Daten. Fokus auf Trendbewertung, Plausibilität und klinische Einordnung.
- Governance: SOPs für Befundfreigabe, Eskalationspfade bei Auffälligkeiten, definierte Intervalle für Verlaufsuntersuchungen je Indikation.
Der Betrieb bleibt schlank: Es ist keine neue Hardware notwendig, und die EKG-Workflows bleiben unverändert. Das reduziert Einführungsbarrieren und erleichtert die Skalierung.
Dateninterpretation: Vom Einzelwert zum Verlauf
Die Stärke der Methode liegt in der Kombination aus beatgenauer Analyse und longitudinalen Trends. Für die klinische Praxis bewährt sich folgende Herangehensweise:
- Baseline und Referenzbereiche: Legen Sie für jede Person eine individuelle Baseline fest. Interindividuelle Unterschiede sind normal – die Dynamik zum Ausgangswert ist oft aussagekräftiger als ein absoluter Einzelwert.
- Trend statt Momentaufnahme: Bewerten Sie Verläufe über Stunden, Tage und Wochen. Stabile Trends sind robuster gegenüber Messfehlern und situativen Schwankungen.
- Kontextualisierung: Ordnen Sie Veränderungen in den klinischen Kontext ein (Symptome, Medikation, Flüssigkeitshaushalt, Belastung). Notieren Sie Ereignisse direkt in der Ansicht, um Korrelationen sichtbar zu machen.
- Plausibilitätsprüfung: Nutzen Sie Qualitätsindikatoren der Software. Bei hoher Artefaktlast, ausgeprägten Rhythmusstörungen (z. B. Vorhofflimmern) oder Leitungsblockbildern kann die Interpretierbarkeit reduziert sein. Ziehen Sie dann ergänzende Verfahren hinzu.
- Schwellen und Alarme: Arbeiten Sie mit institutionell festgelegten Schwellen, die Befundwege auslösen (z. B. zusätzliche Bildgebung, Labor, klinische Reevaluation). Vermeiden Sie Überalarmierung durch Kombination aus Trend- und Schwellenlogik.
- Vergleich mit Bildgebung: Nutzen Sie Gelegenheiten für Kreuzvalidierung (z. B. Echo vor Entlassung, MRT im Verlauf), um patientenspezifische Muster besser zu verstehen und Vertrauen in die Trends aufzubauen.
So entsteht ein belastbares Bild der Hämodynamik, das therapeutische Entscheidungen stützt, ohne unnötige Untersuchungen zu provozieren.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Rollen
Die volle Wirkung entfaltet sich in einem Teamansatz:
- Kardiolog:innen: Supervision der Interpretation, Festlegung von Schwellenwerten, Indikationsstellung für weiterführende Diagnostik.
- Hausärzt:innen: Organisation der Screenings, Verlaufsbeobachtung, Koordination der Versorgung und frühzeitige Eskalation bei Auffälligkeiten.
- Pflege- und Reha-Teams: Tägliche Trendbeobachtung, Dokumentation von Symptomen und Interventionen, Rückmeldung an Ärzt:innen.
- Arbeits- und Sportmediziner:innen: Bewertung im Kontext der Einsatz- und Trainingsfähigkeit; Kommunikation mit Arbeitgebern/Teams im Rahmen klarer Richtlinien.
- Datenwissenschaft und IT: Qualitätsmonitoring, Anpassung der Integrationen, Datenschutz und Sicherheit.
- Patient:innen: Aufklärung, Einbindung in die Verlaufsbeobachtung und Förderung der Therapieadhärenz.
Klare Verantwortlichkeiten, standardisierte Reports und gemeinsame Review-Zyklen sorgen für Verlässlichkeit und Akzeptanz.
Ökonomischer und patientenzentrierter Nutzen
Die Kombination aus vorhandener Hardware, automatisierter Analyse und hoher zeitlicher Auflösung schafft handfeste Vorteile:
- Kosteneffizienz: Keine Anschaffung zusätzlicher Geräte; geringerer Bedarf an invasiven oder ressourcenintensiven Messungen, wenn Trends stabil sind.
- Zeitgewinn: Sofortige Verfügbarkeit von Ergebnissen im EKG-Workflow; weniger Koordination zwischen Abteilungen.
- Patientenschonung: Nicht-invasiv, keine zusätzliche Belastung; häufigere Kontrollen möglich, ohne die Versorgung zu verkomplizieren.
- Ressourcensteuerung: Priorisierung von Bildgebung und Spezialsprechstunden auf Basis objektiver Trends; Entlastung hochbelasteter Bereiche.
- Qualität und Sicherheit: Frühere Erkennung relevanter Veränderungen unterstützt proaktive Interventionen und kann Komplikationen vorbeugen.
Für Hochrisikopatient:innen bedeutet dies mehr Sicherheit bei zugleich weniger Belastung; für Behandler:innen ein präziseres, kontinuierlicheres Bild der kardialen Situation.
Nächste Schritte: Validierung, Integration, Roll-out
Für Einrichtungen, die den Mehrwert von CardioVolumeMetrics nutzen möchten, empfiehlt sich ein strukturiertes Vorgehen:
- Pilotphase: Start in einem klar umrissenen Setting (z. B. kardiologische Station, Reha, DMP-Herzinsuffizienz). Definition messbarer Ziele (z. B. Zeit bis zur Therapieanpassung, Anzahl zusätzlicher Untersuchungen, Patientenzufriedenheit).
- Klinische Validierung: Regelmäßige Gegenüberstellung der EKG-basierten Hämodynamik mit bestehenden Standards (z. B. Echokardiografie) zur lokalen Qualitätssicherung.
- Prozessintegration: Anpassung von SOPs, Schulung der Teams, Abbildung in KIS/PVS, Einrichtung von Rollen und Berechtigungen.
- Datenschutz und Sicherheit: DSGVO-konforme Datenverarbeitung, Transparenz gegenüber Patient:innen, klare Verantwortlichkeiten.
- Skalierung: Ausweitung auf weitere Stationen/Standorte, Einbindung in ambulante Versorgungsnetze, telemedizinische Erweiterungen.
- Kontinuierliche Verbesserung: Feedbackschleifen mit Kardiolog:innen, Hausärzt:innen und Arbeits-/Sportmediziner:innen; gemeinsame Weiterentwicklung der Anwendungsfälle mit dem interdisziplinären Team von CardioVolumeMetrics.
Hinweis: Die Methode dient der Ergänzung klinischer Beurteilung und ersetzt nicht die ärztliche Entscheidung oder etablierte Notfallpfade. Insbesondere bei akuten Symptomen oder lebensbedrohlichen Situationen gelten die üblichen Notfallprotokolle.
Mit diesem Ansatz wird das EKG vom reinen Elektrik-Monitor zum hämodynamischen Messinstrument – präzise, nicht-invasiv und in Echtzeit. Für Sie als Behandler:in und für Ihre Patient:innen eröffnen sich neue Wege, Herzgesundheit früher zu schützen, Therapien gezielter zu steuern und Nachsorge sicherer zu gestalten.
