Das Herz schlägt elektrisch – und bewegt Blut mechanisch. CardioVolumeMetrics nutzt genau diese Kopplung: Aus den Phasenlängen des EKGs (z. B. PQ-, QRS-, QT- und RR-Intervalle) wird mit einem mathematischen Modell der elektromechanischen Kopplung ein patientenspezifisches Herz-Zeitverhalten rekonstruiert. Vereinfacht gesagt ordnet das Verfahren den elektrischen Ereignissen (Erregung, Erregungsausbreitung, Repolarisation) die zugehörigen mechanischen Phasen (isovolumetrische Kontraktion, Auswurf, isovolumetrische Relaxation, Füllung) zu – inklusive der typischen elektromechanischen Verzögerungen.
Das Modell kombiniert:
- Zeitvariierende Elastanz (Kontraktilität) des Ventrikels, abgeleitet aus QRS/QT-Dynamik
- Windkessel-Elemente für die Nachlast (arterielle Compliance und peripherer Widerstand)
- Frequenz- und Vorlast-Abhängigkeiten über RR-Variabilität und Füllungszeiten
- Optionale patientenspezifische Parameter (Alter, Körpergröße/-gewicht, Blutdruck, ggf. bekannte Klappenverhältnisse)
Durch die Anpassung dieser Modellkomponenten an die gemessenen Phasenlängen und Grunddaten lassen sich zentrale hämodynamische Parameter in Echtzeit schätzen: Schlagvolumen (SV), enddiastolisches Volumen (EDV), endsystolisches Volumen (ESV), Ejektionsfraktion (EF) und Herzzeitvolumen (HZV). Der wesentliche Vorteil: Die Berechnung erfolgt nicht-invasiv auf Basis vorhandener EKG-Signale, ohne zusätzliche Sensorik oder langwierige Kalibration.
Hinweis: Die Methode ergänzt die Bildgebung und ersetzt sie nicht; sie macht Veränderungen früher und häufiger messbar und unterstützt die gezielte Auswahl weiterführender Diagnostik.
Welche Parameter Sie erhalten – und warum sie klinisch zählen
CardioVolumeMetrics stellt ein hämodynamisches Panel in Echtzeit bereit:
- Schlagvolumen und Herzzeitvolumen: Belastbarkeit, Perfusionsreserve und Therapieansprechen
- EDV/ESV und Ejektionsfraktion: systolische Funktion und Remodelling-Trends
- Systolische/diastolische Füllungszeiten: diastolische Funktion, Tachykardie-Toleranz
- Trendkennzahlen (z. B. gleitende Mittel, Variabilität, Drift): Früherkennung von Dekompensation
Klinisch relevante Anwendungsfälle:
- Frühe Risikostratifikation: Subtile Verschlechterungen (z. B. sinkendes SV bei stabiler EF) können auf eine beginnende Dekompensation hinweisen, bevor Symptome auftreten.
- Nachsorge nach Herzoperationen: Feine Veränderungen der Auswurfdynamik und Füllungszeiten unterstützen die Steuerung von Medikation, Rehabilitation und Bildgebungsintervallen.
- Verlaufs- und Trendmonitoring: Objektive, häufige Messungen über bestehende EKG-Workflows hinweg ermöglichen eine engmaschige Verlaufskontrolle ohne zusätzliche Untersuchungen.
Nahtlose Integration in bestehende EKG-Workflows
Die Implementierung erfolgt bewusst ressourcenschonend:
- Akquise: Standard-12-Kanal-EKG oder Langzeit-/Telemetrie-EKG wie gewohnt aufzeichnen.
- Import: Automatischer Datenzugriff via SCP-ECG, DICOM Waveform, HL7/FHIR oder herstellerbezogene APIs. PDF-Formate werden, sofern verfügbar, über die Rohdaten ergänzt.
- Qualitätscheck: Algorithmischer Signalqualitäts-Score (Elektrodenkontakt, Baseline-Drift, Rauschen).
- Berechnung: On-Premises oder Cloud, je nach Einrichtungsvorgaben. Latenz in Sekundenbereich.
- Ergebnisdarstellung: Hämodynamisches Panel, Trendgrafiken, Ampel-Logik und Schwellenwerte angepasst an Indikation.
- Dokumentation: Automatisierte Befundzusammenfassung ins KIS/EMR mit Codesystemen (z. B. LOINC/SNOMED) zur strukturierten Weiternutzung.
So unterstützt das System typische klinische Fragestellungen:
- Ambulanz/Triage: Wer profitiert zeitnah von Echo/MRT – und wer kann mit telemetrischem Verlauf beobachtet werden?
- Station/Telemetrie: Trendalarme bei signifikanter Parameterdrift (z. B. HZV ↓ ≥15 % in 24–48 h).
- Reha/Nachsorge: Vergleich vor/nach Interventionsschritten, Therapieoptimierung anhand objektiver Zielwerte.
Ressourcen gezielt einsetzen: Von der EKG-Analyse zur fokussierten Bildgebung
Durch engmaschige, kostengünstige Überwachung lassen sich bildgebende Verfahren zielgerichtet einsetzen:
- Vorfilterung: Nur bei persistenter oder progressiver Auffälligkeit in den Hämodynamik-Trends erfolgt Eskalation zu Echokardiographie, MRT oder CT.
- Terminpriorisierung: Patienten mit raschem Trendabfall erhalten vorrangige Slots; stabile Verläufe können planbar bleiben.
- Therapie-Feedback-Schleife: Anpassungen von Diuretika, Nachlastsenkern oder Herzfrequenzkontrolle werden zeitnah auf Effekte geprüft – bevor eine erneute Bildgebung nötig wird.
Ergebnis: Weniger „Sicherheits-Echos“ bei stabilen Verläufen, bessere Verfügbarkeit für tatsächlich gefährdete Patientinnen und Patienten – ohne diagnostische Lücken.
Menschen mit erhöhtem Risiko: Früh erkennen, sicher handeln
Für Personen mit Hypertonie, KHK-Risiko, Herzinsuffizienz im Frühstadium oder familiärer Vorbelastung bedeutet die Nutzung vorhandener EKGs:
- Nicht-invasiv und kosteneffizient: Regelmäßige Checks im Rahmen routinemäßiger EKGs, in der Hausarztpraxis oder telemedizinisch.
- Trends statt Momentaufnahmen: Allmähliche Veränderungen von SV, HZV oder Füllungszeiten warnen frühzeitig.
- Niedrige Hürde, hohe Wirkung: Kurze Messungen, keine Zusatzbelastung, rasche Rückmeldung.
Worauf Trends hinweisen können:
- Abnehmendes Schlagvolumen trotz unveränderter Herzfrequenz: drohende Volumenüberladung oder Kontraktilitätsverlust.
- Verkürzte Füllungszeit bei steigender Ruhefrequenz: eingeschränkte diastolische Reserve.
- Zunehmende Variabilität der Parameter: beginnende Instabilität, Bedarf an engerer Kontrolle.
Wichtig: Ergebnisse gehören in ärztliche Hände. Bei Warnsignalen sollten Sie zeitnah Rücksprache mit Ihrer behandelnden Fachperson halten.
Sicherheit im Cockpit und Spitzenleistung auf der Bahn: Szenarien für Piloten und Athleten
Piloten und Leistungssportler benötigen präzise Daten in realistischen Belastungssituationen:
- Vor Einsätzen/Wettkämpfen: Baseline-Erhebung der hämodynamischen Reserve unter Ruhe- und moderater Belastung.
- Belastungsprofilierung: Veränderung von SV und HZV über Stufenprotokolle; Identifikation von Limitierungen (Vorlast, Nachlast, Frequenz).
- Regeneration und Trainingssteuerung: Rückkehr zum individuellen Normalbereich als Freigabekriterium; Vermeidung von Übertraining.
- Sicherheitsmonitoring: Trendalarme bei Abweichungen von der persönlichen Norm – besonders relevant bei Jetlag, Dehydratation, Höhenexposition oder Infekten.
Praxisbezug:
- In der Fliegermedizin: Periodische Checks im Rahmen bestehender EKG-Untersuchungen; zusätzliche Messfenster nach Infekten oder Medikamentenwechsel.
- Im Hochleistungssport: Integration in Trainingslager und Reha nach Verletzungen/Operationen; objektive Freigabekriterien zur Return-to-Play-Entscheidung.
Praxis-Workflows: Schritt für Schritt in unterschiedlichen Settings
Ambulante Kardiologie
- Aufnahme: 12-Kanal-EKG wie gewohnt.
- Automatisierte Analyse: Hämodynamikpanel und Vergleich mit Vorwerten.
- Triage: Ampel-Logik leitet weiter zu Echo (rot), telemedizinischem Verlauf (gelb) oder Routinekontrolle (grün).
- Dokumentation: Befundexport ins KIS, Patientenbrief mit Trendgrafik.
Station/Intensiv
- Kontinuierliches Telemetrie-EKG.
- Ereignisbasiertes Monitoring: Alarm bei Trend-Drift, nicht bei vereinzelten Artefakten.
- Interventions-Feedback: Prüfung der Wirkung von Diurese, Rhythmuskontrolle oder Vasopressoren auf HZV und SV.
Hausarzt/Telemedizin
- Kurze EKG-Aufzeichnung via Praxisgerät oder zugelassenem Heimgerät.
- Cloud-Analyse mit DSGVO-konformer Pseudonymisierung.
- Handlungsempfehlung an die Fachärztin/den Facharzt, inkl. Priorisierung.
Sportzentrum/Betriebsmedizin
- Ruhe- und Stufenbelastungsprotokoll.
- Individuelle Normbereiche und Trainingszonen auf Basis SV/HZV-Profile.
- Export für Trainer- und Fliegerärzte mit rollenbasiertem Zugriff.
Beispielfälle: Was die Daten im Alltag leisten
- Postoperative Nachsorge nach Klappenrekonstruktion: Ein 62-jähriger Patient zeigt 10 Tage nach Entlassung bei unverändertem Blutdruck einen schleichenden Rückgang des Schlagvolumens um 18 % über eine Woche. CardioVolumeMetrics markiert gelb → kurzfristige Echo-Terminierung deckt eine zunehmende periphere Nachlast durch unzureichende Blutdruckkontrolle auf. Therapieanpassung stabilisiert den Trend innerhalb von 72 Stunden.
- Frühwarnung bei Herzinsuffizienzrisiko: Eine 55-jährige Patientin mit Hypertonie zeigt unter Telemonitoring eine Verkürzung der diastolischen Füllungszeit bei steigender Ruhefrequenz und gleichzeitigem HZV-Abfall. Eskalation zur ambulanten Abklärung → frühe therapeutische Anpassungen vermeiden eine stationäre Aufnahme.
- Leistungsdiagnostik im Radsport: Bei einem 28-jährigen Profiathleten bleibt das HZV unter Höhenbedingungen hinter der Erwartung zurück; das Modell weist auf eingeschränkte Vorlast (verkürzte Füllungszeit) hin. Anpassungen in Hydration und Trainingsintensität normalisieren das SV-Profil, die Leistungsfähigkeit steigt messbar in der Folgewoche.
- Fliegertauglichkeit nach Infekt: Ein 41-jähriger Pilot zeigt gegenüber seiner persönlichen Baseline eine reduzierte Ejektionsfraktion und verlängerte Erholungszeit der Parameter nach moderater Belastung. Verzögerte Freigabe um 72 Stunden; erneute Messung erreicht Baseline – Freigabe unter Sicherheitspuffer.
Datenqualität, Interoperabilität und Datenschutz: Worauf es ankommt
Datenqualität
- Elektrodenanlage und Hautvorbereitung: sauber, trocken, standardisierte Ableitungen.
- Signalqualität: Samplingrate ≥ 500 Hz empfohlen, stabile Baseline, minimiertes Muskelzittern/Bewegungsartefakte.
- Rhythmusbedingungen: Bei ausgeprägten Arrhythmien oder Schrittmacherstimulation sind Modellannahmen begrenzt; die Software kennzeichnet unsichere Schätzungen.
- Validierung: Cross-Check gegen Blutdruck/SpO2, insbesondere bei klinischen Entscheidungen; Qualitätsindex wird pro Messung ausgewiesen.
Interoperabilität
- Standards: SCP-ECG, HL7 v2/v3, FHIR, DICOM Waveform; strukturierte Befundexporte mit LOINC/SNOMED-Codes.
- Einbettung: KIS/EMR-Integration, bidirektionale Worklists, rollenbasierte Dashboards.
- Offene Schnittstellen: API-Zugriffe für Forschung, Qualitätssicherung und eigene Analytics-Pipelines.
Datenschutz und Sicherheit
- DSGVO-konforme Verarbeitung: Datenminimierung, Pseudonymisierung, Zweckbindung.
- Transport- und Ruhende-Verschlüsselung, HSM-gestütztes Schlüsselmanagement.
- Rollen-/Rechtekonzepte, Audit-Logs, zeitlich begrenzte Freigaben für Dritte (z. B. Reha, Trainer, Fliegerärzte).
- Deployment-Optionen: On-Premises oder zertifizierte Cloud mit Datenspeicherung in der gewünschten Region.
Transparenz
- Erklärbare Modellelemente: Visualisierung der Zuordnung zwischen EKG-Phasen und mechanischen Phasen.
- Unsicherheiten: Konfidenzintervalle und Qualitätskennzahlen je Parameter; Warnlogik berücksichtigt Unsicherheit explizit.
Grenzen, Verantwortlichkeiten und nächste Schritte
- Ergänzung statt Ersatz: CardioVolumeMetrics erweitert die diagnostische Breite und Häufigkeit, ersetzt aber nicht die klinische Untersuchung, Echokardiographie oder weiterführende Bildgebung, wenn diese indiziert sind.
- Ärztliche Entscheidungsverantwortung: Ergebnisse sind Entscheidungshilfen; die therapeutische Verantwortung liegt bei der behandelnden Fachperson.
- Implementierung: Start mit einem Pilotbereich (z. B. Herzinsuffizienzambulanz, Telemonitoring oder Sportmedizin), Evaluation definierter KPIs (z. B. ungeplante Echokardiographien, Zeit bis Intervention, Wiederaufnahmerate), anschließende Skalierung.
Fazit: Mehr als ein EKG. Durch die präzise Ableitung hämodynamischer Parameter aus den Phasenlängen wird aus einer alltäglichen Messung ein Echtzeitfenster in die kardiale Pumpleistung – nutzbar für Klinik, Hochrisikopatienten und Leistungssport, sicher eingebettet in bestehende Workflows und Datenschutzanforderungen.
