CardioVolumeMetrics: Hämodynamik in Echtzeit aus dem Standard‑EKG

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Die elektrische Aktivität des Herzens lässt sich seit Jahrzehnten zuverlässig über das Standard-EKG erfassen. Weniger zugänglich waren hingegen die hämodynamischen Größen, die letztlich über Perfusion, Leistungsfähigkeit und Prognose entscheiden: Schlagvolumen (SV), enddiastolisches Volumen (EDV), endsystolisches Volumen (ESV) und Herzzeitvolumen (HZV/CO). CardioVolumeMetrics verbindet beides und macht aus Phasenlängen eines Standard-EKGs in Echtzeit modellbasierte Volumetrie – ohne zusätzliche Hardware, kosteneffizient und nahtlos in bestehende Abläufe integrierbar. Das eröffnet neue Wege für die Frühdiagnostik, die Nachsorge nach Herzoperationen und die Therapie-Titration, ebenso wie für die nicht-invasive Trendüberwachung bei Hochrisikopatienten und -berufen.

Wie aus EKG-Phasen hämodynamische Parameter werden

Die Methode nutzt die zeitliche Abfolge der elektrischen Ereignisse und deren stabile Beziehung zu mechanischen Phasen des Herzzyklus:

  • P-Welle und PR-Intervall spiegeln die atriale Aktivierung und atrioventrikuläre Überleitung wider.
  • QRS-Komplex markiert den Beginn der ventrikulären Erregung und korreliert nach kurzer elektromechanischer Verzögerung mit der isovolumetrischen Kontraktion.
  • QT-/ST-Segmente stehen in Beziehung zur Ejektionsphase.
  • T-Welle korrespondiert mit der Repolarisation und dem Übergang in die isovolumetrische Relaxation und Füllungsphase.

CardioVolumeMetrics modelliert diese Kopplung mithilfe eines validierten elektromechanischen Modells. Aus den Phasenlängen und ihrer Beat-to-Beat-Variabilität werden die mechanischen Phasenlängen geschätzt und in ein hämodynamisches Kompartiment-Modell eingespeist. Zentral sind:

  • Schätzung der isovolumetrischen Zeiten, Ejektions- und Füllungsdauer pro Herzschlag.
  • Ableitung des systolischen und diastolischen Volumenverlaufs über dimensionale Skalierungsfaktoren.
  • Berechnung von SV = EDV − ESV und HZV = SV × Herzfrequenz.
  • Patientenspezifische Kalibrierung über demografische Parameter (z. B. Körperoberfläche, Alter, Geschlecht) und – sofern vorhanden – baseline-bekannte Referenzwerte aus Echo/MRT. Die Nutzung vorhandener EKG-Daten bleibt dabei die einzige Messgrundlage; eine externe Hardware ist nicht nötig.

Wichtig: Das Verfahren erzeugt sowohl absolute Schätzwerte als auch robuste Trend- und Indexgrößen (z. B. relative SV-Änderung, ESV-Index). Gerade die Trends liefern in der klinischen Realität eine hohe Aussagekraft, auch bei interindividueller Variabilität.

Klinische Use-Cases für medizinische Fachkräfte

1) Früherkennung von Herzinsuffizienz

  • Screening bei Risikopersonen (Hypertonie, Diabetes, KHK, onkologische Therapie): Anhaltende Erhöhungen von ESV und Verlängerung mechanischer Zeiten bei steigender Ruhefrequenz können frühe Hinweise auf systolische Dysfunktion liefern.
  • Subklinische Verschlechterung erkennen: Trendbasierte Abnahmen des SV oder ein fortschreitender Anstieg des EDV als Zeichen von Volumenüberladung oder Dilatation – ohne zusätzliche Untersuchungslogistik.

2) Nachsorge nach Klappen- oder Bypass-OPs

  • Verlaufskontrolle der Pumpfunktion: Stabilisierung oder Verbesserung von SV/HZV sowie Normalisierung der Ejektionszeiten unterstützen die postoperative Beurteilung.
  • Früherkennung von Komplikationen: Auffällige Trendwechsel (z. B. ansteigendes ESV, abnehmendes SV) können proaktiv weitere Diagnostik anstoßen.
  • Telemetrische Nachsorge: Einsatz in der ambulanten Phase zur lückenlosen Trendbeobachtung zwischen den Kontrollterminen.

3) Therapie-Titration in der Herzinsuffizienz und KHK

  • Feinanpassung von Betablockern, ACE-Hemmern/ARNI, Diuretika: Kurzfristige und mittel- bis langfristige Trendantworten (SV, ESV, Herzfrequenz, Ejektionsdauer) unterstützen die Beurteilung, ob Dosisänderungen die gewünschte hämodynamische Wirkung entfalten.
  • Trainingssteuerung in der kardialen Rehabilitation: Echtzeit-Feedback zur Hämodynamik hilft, Belastungen sicher zu dosieren.

Diese Anwendungen ersetzen nicht die Echokardiographie oder das kardiale MRT, sondern ergänzen sie durch kontinuierliche, nicht-invasive Zwischeninformationen, die klinische Entscheidungen früher und zielgerichteter machen können.

Integration in bestehende EKG-Workflows

CardioVolumeMetrics ist auf Standard-12-Kanal-EKGs und gängige Monitoring-Setups ausgelegt. Typische Abläufe:

  • Aufnahme: EKG wie gewohnt ableiten. Die Software überprüft die Signalqualität (Artefakte, Ableitungsrauschen, Baseline-Drift) und liefert eine Qualitätskennzahl (SQI).
  • Automatische Phasendetektion: Beat-to-Beat-Delineation von P, QRS, T, QT; Ableitung mechanischer Phasen über das Modell.
  • Auswertung in Echtzeit: Anzeige von SV, EDV, ESV, HZV sowie deren Trends; optional Kennzeichnung unsicherer Beats.
  • Dokumentation: Automatisierte Übergabe der Kennwerte an das KIS/PVS via standardisierte Schnittstellen (HL7/FHIR).
  • Befundung: Ärztliche Bewertung der Trends im Kontext von Symptomen, Vitalparametern und Labor; Festlegung der nächsten Schritte.

Einführungsfreundlich: Es ist keine neue Hardware notwendig; vorhandene EKG-Geräte und Monitore bleiben im Einsatz. Der Schulungsbedarf konzentriert sich auf Interpretation und Alarmpfade, nicht auf Gerätebedienung.

Nutzen für Hochrisikopatienten und -berufe

Für Patientinnen und Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko sowie für Berufsgruppen mit hohen Sicherheitsanforderungen (z. B. Pilotinnen und Piloten, Einsatzkräfte):

  • Kontinuierliche, nicht-invasive Trendüberwachung ohne Katheter oder zusätzliche Sensorik.
  • Frühe Warnhinweise: Abweichungen in SV/ESV oder ungewöhnliche Verkürzung/Verlängerung mechanischer Phasen unter Belastung können Anlass zur Abklärung geben, bevor klinische Ereignisse eintreten.
  • Fitness- und Leistungsoptimierung bei Sporttreibenden: Steuerung von Trainingszonen mit Blick auf hämodynamische Effizienz statt nur Herzfrequenz.
  • Kosteneffizienz: Nutzung vorhandener EKG-Infrastruktur reduziert Barrieren für regelmäßige Kontrollen, ambulant wie betrieblich.

Die Daten dienen der Vorsorge und Frühintervention. Die abschließende medizinische Bewertung erfolgt stets durch qualifizierte Fachkräfte.

Validierung, Grenzen und Qualitätsaspekte

Damit die Volumetrie zuverlässig ist, gelten klare Qualitätsstandards:

  • Signalqualität:

    • Saubere Elektrodenanlage, gute Hautvorbereitung, stabile Lagerung.
    • Automatische Artefakterkennung (Muskelzittern, elektrische Störungen, Baseline-Wanderung).
    • SQI-Schwellenwerte steuern, ob ein Beat in die Analyse einfließt.
  • Rhythmusstörungen:

    • Vorhofflimmern/absolute Arrhythmie: Trends werden über robuste Aggregation (Median über Fenster) gebildet; absolute Werte sind vorsichtig zu interpretieren.
    • Extrasystolen/Bigemini: Ektopische Schläge werden markiert/exkludiert; Nachfolgeschläge separat bewertet.
    • Schenkelblocke und Reizleitungsstörungen: Verlängertes QRS und ventrikuläre Dyssynchronie beeinflussen die elektromechanische Kopplung; das Modell berücksichtigt dies, Unsicherheiten werden ausgewiesen.
  • Referenz- und Plausibilitätsprüfungen:

    • Abgleich gegen Echokardiographie (biplane Simpson-EDV/ESV, VTI-basierte SV) und kardiales MRT (cine-Volumetrie) in Validierungsstudien.
    • Flow-Referenzen (z. B. Phase-Contrast-MRT) und Ergometerprotokolle für Belastungsantworten.
    • Analysen fokussieren auf Korrelationen, Bias und Trendtreue; absolute Abweichungen werden transparent gemacht.
  • Kontextfaktoren:

    • Medikamentenwechsel, Flüssigkeitsstatus, Temperatur, Anämie und Belastung beeinflussen die Hämodynamik und werden in der Interpretation berücksichtigt.

Die Kombination aus Echtzeit-Trends, Qualitätsmetriken und klinischem Kontext verhindert Fehldeutungen und erhöht die Patientensicherheit.

Datenschutz, IT-Sicherheit und Alarm-Strategien

  • Datenschutz und Sicherheit:

    • DSGVO-konforme Verarbeitung, rollenbasierte Zugriffe, Ende-zu-Ende-Verschlüsselung.
    • Pseudonymisierung/Anonymisierung für Forschung und Qualitätsmanagement.
    • Audit-Trails und Protokollierung aller Zugriffe und Änderungen.
    • Klare Einwilligungsprozesse für ambulante und betriebliche Nutzung.
  • Alarm-Strategien:

    • Mehrstufige Alarme (Hinweis, Achtung, Kritisch) basierend auf patientenspezifischen Schwellen und trendbasierten Kriterien (signifikante, persistente Veränderung statt Einzelwert).
    • Hysterese und Ereignisfusion (z. B. Kombination aus fallendem SV und steigendem ESV) zur Reduktion von Alarmmüdigkeit.
    • Kontextsensitivität: Pausierung unter massiven Artefakten; Kennzeichnung bei Rhythmuswechsel; optionales Zusammenspiel mit Aktivitätsdaten.
    • Klare Eskalationspfade: Wer wird wann benachrichtigt, wie wird dokumentiert, welche Folgeuntersuchung ist vorgesehen?

Implementierung in Klinik und Praxis: pragmatische Schritte

  • Governance festlegen: Verantwortlichkeiten, SOPs, Indikationskatalog, Schulungsplan.
  • Baseline definieren: Erheben Sie initiale Referenzmessungen (Ruhe, standardisierte Belastung) und legen Sie patientenspezifische Trendschwellen fest.
  • Schnittstellen testen: Integration in KIS/PVS, Rechte- und Rollenkonzepte, Archivierung.
  • Qualität sichern: SQI-Schwellen und Artefaktregeln operationalisieren; regelmäßige Spot-Checks gegen Echo/MRT in definierten Kohorten.
  • Teams befähigen: Kurzformate zur Interpretation (Was bedeutet ein steigendes ESV? Wann ist ein Trend klinisch relevant?), Checklisten für die Visite, Templates für Befunde.
  • Pilotieren und skalieren: Start in einer Station/Ambulanz, dann Ausweitung auf größere Patientengruppen und Telemonitoring-Programme.

Die Devise: klein anfangen, Prozesse schärfen, Kennzahlen messen (z. B. Zeit bis zur Intervention, vermeidbare Rehospitalisierungen), dann breit ausrollen.

Orientierung für Patientinnen und Patienten

  • Was bedeuten die Werte?

    • Schlagvolumen (SV): Blutmenge pro Herzschlag. Höhere Werte bei Training, niedrigere bei Müdigkeit/Erkrankung möglich.
    • Enddiastolisches Volumen (EDV): Füllungszustand vor der Kontraktion. Deutlich steigende Trends können auf Volumenüberladung hinweisen.
    • Endsystolisches Volumen (ESV): Restvolumen nach der Kontraktion. Zunehmend erhöhtes ESV kann auf nachlassende Pumpfunktion deuten.
    • Herzzeitvolumen (HZV): Blutmenge pro Minute. Bestimmt Leistungsfähigkeit und Organperfusion.
  • Wie nutzen Sie die Informationen?

    • Beobachten Sie Trends, nicht einzelne Ausreißer. Notieren Sie Symptome (Atemnot, Schwindel, Ödeme) und besprechen Sie Veränderungen mit Ihrem Behandlungsteam.
    • Halten Sie Therapiepläne ein und nutzen Sie die Daten, um bei Kontrollen gezielt Fragen zu stellen (z. B. Reaktion auf neue Medikamente oder Training).
    • Selbstmessungen dienen der Unterstützung, nicht der Selbstdiagnose. Medizinische Entscheidungen treffen Sie gemeinsam mit Fachpersonal.
  • Datenschutz und Transparenz: Sie behalten die Kontrolle über Ihre Daten. Fragen Sie nach, wer Zugriff hat und wie Alarme gehandhabt werden.

Fazit: Hämodynamik sichtbar machen – früh, kontinuierlich, bezahlbar

Die Echtzeit-Volumetrie aus Standard-EKGs bringt hämodynamische Informationen dorthin, wo sie am meisten bewirken: in den Alltag klinischer Entscheidungen und in die präventive Betreuung von Menschen mit erhöhtem Risiko. Ohne zusätzliche Hardware, mit hoher Kosteneffizienz und validierten Qualitätsmechanismen erschließt CardioVolumeMetrics die Lücke zwischen punktueller Bildgebung und kontinuierlicher Versorgung. Für Sie als Behandlerin oder Behandler bedeutet das früheres Erkennen relevanter Veränderungen und präzisere Titration; für Patientinnen und Patienten mehr Orientierung und Sicherheit – jeden Tag.

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